Mit dem Bike nach Schottland – Teil I

Beitrag vom 08.04.2021 14:40 in Trails

Einmal mit dem Bike von Erstfeld nach Schottland:

Einmal mit dem Bike von Erstfeld nach Schottland: Dieses Ziel hat sich Urs Traxel im Sommer 2017 gesteckt. Zwar ging der Wunsch des ehemaligen CEO der Urner Kantonalbank schlussendlich nicht ganz in Erfüllung – nicht selbstverschuldet notabene! –, trotzdem möchte er die Erfahrung heute keineswegs missen.

Fast zehn Jahre lang leitete Urs Traxel als CEO die Geschicke der Urner Kantonalbank, bis er sich im August 2017 einen lang gehegten Wunsch erfüllte: eine Radtour von seinem Zuhause in Erstfeld über England nach Schottland und zurück nach London.

Auf seinem Tumblr-Profil liess er die Daheimgebliebenen an seinem Abenteuer teilhaben. Wir haben die Ereignisse zusammengefasst:

Der Entscheid, 2017 die Radreise seines Lebens anzutreten, fiel bereits 2015. Ein Jahr darauf galt es, diverse technische Entscheide zu fällen. Zusammen mit Markus Infanger von Velo Infanger, seinem «Fahrradfachmann vor Ort», wie Urs Traxel ihn nennt, entschied er sich für das Modell «tout terrain» mit einem Pinion-Getriebe und Zahnriemenantrieb für sich und seine Frau Rita, die ihn ab Manchester auf der Tour begleiten sollte.

Nachdem er zusammen mit Rita die bestellten Tourenfahrräder ausgiebig getestet und angepasst hatte, hiess es am Donnerstag, 3. August 2017 endlich:

«let the dream come true».

Via Aargau fuhr Urs Traxel den Rhein entlang Richtung Nordwesten und erreichte bereits am 5. August Strassburg, wo er zum ersten Mal die Regenbekleidung überstreifen musste. Einen Tag, 125 Kilometer und 1000 Höhenmeter, die ganz schön in die Beine gingen, später legte er in Saarbrücken einen ersten Wasch- und Ruhetag ein.

Inzwischen hatten auch die hiesigen Medien vom speziellen Vorhaben des ehemaligen Bank-Chefs erfahren. So berichtete Urs Traxel in einem Interview mit «Radio Central» von seiner Faszination für England und seinen lang gehegten Traum, den er nun in Erfüllung gehen liess.

Am 8. August erlebte Urs Traxel auf dem Weg nach Luxemburg seinen ersten Regentag und musste für einen fantastischen Ausblick auf das Moseltal wegen der 20-Prozent-Steigung mit seinem Gepäck klein beigeben und 10 Minuten stossen. Tags darauf konnte er von einem lustigen Fauxpax berichten: Statt in Neufchâteau in Belgien, wo er inzwischen angekommen war, hatte er im Frankreich gelegenen Neufchâteau ein Hotel gebucht. Gleicher Hotel- und Ortsname, leider aber 195 Kilometer auseinander. Urs Traxel nahms mit Humor.

«Fehler sind schliesslich zum Lernen da.»

Nach weiteren Tagen durch Belgien und Frankreich erreichte Urs Traxel am 14. August Dünkirchen, wo er ein Fähreticket nach London löste und erste Verschleissspuren am Material feststellen musste: Die hintere Packtasche wurde in den 1007 Kilometern von Erstfeld bis zum Kanal in Mitleidenschaft gezogen.

Tags darauf erreichte Urs Traxel endlich die Insel. Und staunte erstmal nicht schlecht:

  • England und Dover empfingen ihn mit Sonnenschein und Wärme
  • Auf den ersten 2 km musste er das Rad mit Gesamtgewicht von ca. 44 kg mehrfach auf dem Radweg Nr. 1 über Stufen hochtragen
  • Die Autos kamen ihm auf der falschen Seite entgegen
  • Sein Rückspiegel links muss nach rechts
«Es ist echt eine Umgewöhnung auf der Strasse.»

Während eines bikefreien Tages in Canterbury im Südosten Englands zog er noch kurz die Schrauben nach, kontrollierte Speichen und Bremsen und behandelte ein paar neuralgische Stellen mit WD40, bis es am 17. August weiter ging – und mit einer Kleinbusreise endete: Auf dem Weg nach Avalay wurde Urs Traxel auf der «Cycle Route 1» gestoppt. Man erklärte ihm, er brauche für die Überquerung der Themse zu seinem Hotel ein Gratistaxi durch den Dartfort-Tunnel. Gemäss dem Taxifahrer werden jährlich rund 10’000 Velofahrer so transportiert, manche täglich.

Dass sein Übernachtungsentscheid lagemässig ein Fehlgriff war, musste Urs Traxel auch tags darauf erfahren, als er seine Tour fortsetzen wollte. Er musste mehrfach umdrehen, wurde von Strassensperrungen und Umleitungen gebremst und fünf Personen hatten «no idea», als er sie nach dem Weg fragte.

Über den «Cycling Super Highway» fand er dann aber doch noch den Weg direkt zur Tower Bridge.

«Das Gefühl, mit dem Bike über die Tower Bridge zu radeln, das war einfach nur „great“.»

So great, dass er sich in London gleich vier volle Tage Ruhe gönnte, bis es am 24. August weiter Richtung Norden ging.

Während seine Freunde die Tour via Tumblr mitverfolgten, machte Urs Traxel auch auf seiner Reise vor Ort von sich reden. In einem kleinen Laden auf dem Weg von Oxford nach Warwick staunten 15 ältere Frauen nicht schlecht über den «mad man from Switzerland», der mit dem Velo bis nach Inverness im Nordosten Schottlands wollte. Auf Naturwegen kreuzte Urs Traxel ausserdem immer wieder Wanderer, die ihn in Gespräche verwickelten, die meistens identisch waren, wie er schildert.

«You must be on a long way with your heavy bags. Where do you go?»

fragten ihn die Wanderer. Und nach seiner Antwort hiess es jeweils:

«Oh Jesus. You go to Inverness. That’s a long way to go.»

Auf die Frage, woher er komme, hörte Urs Traxel oft:

«What? Sweden?» Und dann: «Ahh. Switzerland. But that’s terrific far away!»

Viereinhalb Stunden später berichtete Urs Traxel vom Kontrastprogramm – dem «klassischen Engländer». Diese warnten ihn vor gefährlichen Quartieren in Birmingham. Dort wurde er zum ersten Mal gebeten, sein Bike mit aufs Zimmer zu nehmen.

Am 1. September – vier Wochen, nachdem er in Erstfeld gestartet war und nach 2000 zurückgelegten Kilometern  – erreichte Urs Traxel Manchester, wo er nach ein paar freien Tagen Rita am Flughafen abholen konnte für die restlichen gemeinsamen 1000 Kilometer nach Inverness und zurück. Zuerst aber genoss das Paar ein paar Tage in Manchester – mit keinen Bikekilometern, dafür rund 20’000 Schritten durch die Stadt.

Bei einem gemeinsamen «english breakfast» besprachen Rita und Urs Traxel die kommende Route. «Leider sucht das Hotelpersonal seit 1 Stunde mein Fahrrad. Bin mal gespannt, was da rauskommt», schrieb Urs Traxel am 4. September auf seinem Tumblr-Profil. Stunden darauf die bittere Nachricht: Sein Bike wurde gestohlen.

Leider konnten sie nicht einfach auf die Schnelle ein neues Bike organisieren. «Ab der Stange» geht nicht für ein solches Projekt.

«Wir machen das Beste draus und nehmen es easy.»

Nach ein paar Tagen in ihrer Lieblingsstadt London flog das Paar vorzeitig, aber gesund und munter nach Hause.